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Die Wahrheit hinter 10 bekannten Gefängnis-Mythen

Kein Vergnügen

Mit schwarz-weiß gestreiftem Anzug und Eisenkugel am Bein Steine klopfen – dieses Klischee taugt höchstens für den Karneval. Die sensationsheischenden Bilder, die man übers Fernsehen vermittelt bekommt, haben allerdings auch recht wenig mit der Realität deutscher Strafanstalten zu tun. Wie geht es also wirklich zu im Knast? Sieht man sich die verbreiteten Gefängnismythen einmal genauer an, offenbaren sich nicht selten überraschende Einblicke. Eines sei vorweggenommen: Ganz lässig auf einer „Arschbacke“ dürfte kaum jemand die Zeit in der Zelle absitzen …

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1. „Urlaub auf Staatskosten.“

Auf ungefähr 104 Euro pro Tag werden die Kosten für einen Häftling geschätzt. Der Freiheitsentzug kommt den Steuerzahler also ganz schön teuer zu stehen. Die Gefängnisinsassen selbst sind dagegen von der Steuer sowie der GEZ-Gebühr befreit, auch die Krankenversicherung endet mit Haftantritt. Jetzt zahlt Vater Staat für schlechte Zähne. Ganz kostenfrei ist die Unterbringung indes nicht. Für Unterbringung und Verpflegung in einer 8-m2-Einzelzelle werden in Berlin monatlich 435 Euro fällig – es sei denn, der Insasse arbeitet in einem Betrieb der Haftanstalt. Stundenlohn: 1,12 Euro. Je nach Bundesland muss der Häftling zudem für jedes einzelne Elektrogerät – vom Rasierapparat bis zur Nachttischlampe – eine Stromgebühr berappen. In Baden-Württemberg entfielen im Jahr 2014 etwa auf einen Wasserkocher sportliche 2,50 Euro je Monat. Fernseher müssen in den meisten Anstalten gemietet werden; die Gebühren fürs Kabelfernsehen kommen obendrauf. Da von den 1,12 Euro Stundenlohn ganze 64 Cent für die Zeit nach der Entlassung einbehalten werden, schaut mancher Insasse derweil lieber die kahle Zimmerdecke an. Geweckt wird um 6 Uhr.

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2. „Gefängnistattoos haben eine besondere Bedeutung.“

In Lateinamerika ist die tätowierte 13 gefürchtet: Sie zeigt die Zugehörigkeit zur berüchtigten Gang „Mara Salvatrucha“ an. Auch in Deutschlands Gefängnissen wird trotz Verbots wild tätowiert. Seit Tätowierungen in fast spießiger Weise zur Popkultur gehören, sind jedoch die typischen Knasttattoos – wie die Träne unterm Auge oder das Spinnennetz – weitgehend verschwunden. Die Zugehörigkeit zu bestimmten Banden ist in Deutschland ebenfalls von geringer Bedeutung: Die Gruppen teilen sich nach Nationalitäten auf, was entsprechende Tattoos erübrigt. Dass sich dennoch etwa jeder dritte Insasse mit selbstgepanschter Tinte und ohne steriles Werkzeug „verschönern“ lässt, hat hierzulande weit eher mit einer Identitätssuche im fremdbestimmten Knastalltag zu tun. Die tiefste Bedeutung, die das hinterlässt, ist eine Hepatitis-Infektion.

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3. „Im Knast bekommt man alles.“

In Gefängniszellen wurden schon die abartigsten Dinge gefunden. Drogen sind dabei eines der größten Probleme. 37 % der jungen Insassen dröhnen sich regelmäßig zu. Wer nicht süchtig reingeht, kommt süchtig raus, sagen Experten. Die Schmuggelrouten werden indes immer ausgefallener: Zuletzt wurde in Berlin eine Drohne mit Drogenpäckchen abgefangen. Alltägliches ist dagegen schwieriger zu ergattern. Am Oberlandesgericht Hamm klagte ein 60-jähriger Häftling frische Unterwäsche ein. Ihm waren 4 Unterhosen und 2 Paar Socken pro Woche zu wenig.

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4. „Wasser und Brot.“

Zu den raren Dingen im Gefängnis zählt auch gutes Essen. Je nach Anstalt werden rund 2,40 Euro für die Tagesverpflegung kalkuliert. Es gilt das Gebot der „Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit“. Morgens und abends gibt es in der Regel 2 Scheiben Brot und lauwarmen Tee. Das Mittagessen wird von Mitgefangenen zubereitet, die nur selten ausgebildete Gastronomen sind. Entgegen geläufigen Stammtischmeinungen ist „schlechtes Essen aber nicht Teil der Strafe“, mahnt Ernährungsberater Dietmar Hagen an. Die bestehe ausschließlich im Freiheitsentzug.

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5. „Fluchtversuch ist keine Straftat.“

In der Tat hat die deutsche Justiz Verständnis für den menschlichen Trieb nach Freiheit. Die Flucht eines Häftlings verstößt somit nicht gegen das Gesetz. Dumm nur, dass so eine Flucht selten ohne Sachbeschädigung, Geiselnahme oder zumindest eine Verletzung der Hausordnung gelingt. Wird der entflohene Knastbruder gefasst, werden ihm diese Vergehen auf die zu verbüßende Strafe draufgepackt. Außerdem hat er sämtliche Privilegien und Haftvergünstigungen verspielt. pint1 6.) „Einmal kriminell, immer kriminell.“ Seit 1977 hat der deutsche Strafvollzug nicht mehr nur das Ziel, die Inhaftierten zu sichern, sondern auch, sie auf ein normales Leben nach verbüßter Haft vorzubereiten. Das erste gelingt eindeutig besser als das zweite. 34 % der Entlassenen werden innerhalb von drei Jahren rückfällig. Übrigens: Je länger die Haft, umso höher die Rückfallrate. Dafür gibt es mehrere Ursachen. Viele Ex-Knackis fallen in das sogenannte „Entlassungsloch“: Sie finden keinen Job und keine Wohnung, frühere soziale Kontakte sind abgerissen, Partnerschaften in die Brüche gegangen. Hat man von seinen Mitgefangenen noch Anerkennung für seine Taten bekommen, fühlt man sich plötzlich ausgegrenzt – und zieht sich in Milieus zurück, in denen man diese Anerkennung wiedererlangen kann. Zeit genug, um von Profis zu lernen, hatte man ja unterdessen genug.

Foto: pixabay
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7. „Karg wie eine Gefängniszelle.“

„Grundsätzlich muss der Haftraum übersichtlich bleiben“, heißt die Devise in den Strafanstalten. Was das heißt, ist regional unterschiedlich geregelt. Vor allem in Süddeutschland sind Vorhänge vielfach verboten – was bei Südlage der Zelle im Sommer unangenehm werden kann. Die JVA Stralsund lässt Topfpflanzen nur für Langzeithäftlinge zu. Ansonsten gibt es meist ein einzelnes Brett, an dem Poster oder Bilder aufgehängt werden dürfen. Verbreitetes Gestaltungselement in den Zellen: die private Bettwäsche. Im Frauenknast sieht das anders aus: Private Kleidung, Deko, Kosmetikartikel und Blumen sind hier zumeist erlaubt.

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8. „Das sitzt man doch auf einer Arschbacke ab.“

Der Freiheitsentzug ist das eine, die ganz banalen Folgen einer Gefängnisstrafe das andere. Nur wenige können es sich leisten, ohne Einkommen ihre Wohnung zu halten. Selbst während der Untersuchungshaft, wenn die Schuldfrage also noch unklar ist, springt das Sozialamt lediglich bis zu 6 Monate für die Miete ein. Was dann mit den Möbeln und dem sonstigen Eigentum passiert, ist Privatsache. Stellt sich die Anklage als Justizirrtum heraus, hat man immerhin das Recht auf finanzielle Entschädigung: 11 Euro pro Tag, abzüglich 6 Euro Verpflegungspauschale. Bei längeren Haftstrafen droht zusätzlich die Altersarmut, da keine Rentenbeiträge gezahlt wurden. Wer Familie hat, sollte jedoch vor allem daran denken, dass diese während der Gefängniszeit vollkommen auf sich allein gestellt ist.

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9. „Rosa Zelle.“

Vor wenigen Jahren wurden in der Schweiz und in Deutschland Zellen eingerichtet, die mit einer speziellen Farbe gestrichen waren: „Cool Down Pink“. Voraus ging eine Studie der Farbpsychologin Daniela Späth, die nahelegte, dass rosa Wände das Aggressionspotenzial senkten. Um randalierender Häftlinge Herr zu werden, griffen die Justizvollzugsanstalten daher zum Farbtopf. Das Ergebnis war allerdings durchwachsen. Im Durchschnitt senkte die Farbgestaltung zwar tatsächlich den Blutdruck, einige Inhaftierte wurden aufgrund der „Mädchenfarbe“ hingegen erst recht rasend. Das Projekt wurde eingestellt. 

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10. „Bloß nicht die Seife fallen lassen.“

Es zählt zu häufigsten Gemeinplätzen zum Thema: die Vergewaltigung in der Gemeinschaftsdusche. Das Phänomen ist vor allem in den USA verbreitet – und ist mit Sicherheit kein Anlass für flache Witze. In Deutschland gilt sexualisierte Gewalt unter Strafgefangenen weitgehend als verpönt. Gewalt und Demütigung sind nichtsdestotrotz an der Tagesordnung. Im Knast herrscht eine Hackordnung, die Kräfteverhältnisse werden rasch geklärt. Da die Ressourcen knapp sind, wird man schon mal für eine geschuldete Zigarette verprügelt – einer Studie zufolge meist im eigenen Haftraum und von mehreren Tätern gleichzeitig. In der Regel verschweigen die Opfer danach die Tat, denn Mitgefangene anzuschwärzen gilt als Verrat. Die häufigsten Formen der Schikane sind allerdings die Verbreitung von Gerüchten sowie das Werfen von Abfall und Exkrementen in die Zelle. Fürs Saubermachen ist nämlich jeder Häftling selbst verantwortlich.

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Jeder, der eine Karriere als Krimineller plant, sollte sich verdeutlichen, dass ein Aufenthalt hinter schwedischen Gardinen kein Pappenstiel ist. Sicherlich gibt es anderswo auf der Welt Einrichtungen, die den hiesigen Justizvollzug wie einen Kuraufenthalt erscheinen lassen. Das wäre dann aber eine Kur, bei der man mit unangenehmen Typen auf engstem Raum so lange Däumchen dreht, bis man eine kaputte Glühbirne als angenehme Abwechslung empfindet.