Nachbarschaftsstreitigkeiten gehören zu den häufigsten Zivilprozessen vor deutschen Gerichten. Ein besonders heikles Thema sind Eingriffe in die Bausubstanz des Nachbargrundstücks – etwa das Bohren in fremde Hauswände zur Befestigung von Konstruktionen. Der BGH (Bundesgerichtshof) hat hierzu wichtige Urteile gefällt, die das Nachbarrecht präzisieren.
Doch wann darf der Nachbar tatsächlich in deine Wand bohren, und wann ist dies unzulässig? Die Rechtslage ist komplexer als viele denken und hängt von verschiedenen Faktoren ab. Hier erfährst du, was rechtlich erlaubt ist und wie du dich bei Konflikten verhalten solltest.
Inhaltsverzeichnis
Die Rechtslage: Wem gehört die Hauswand?
Grundsätzlich gilt: Eine Hauswand gehört demjenigen, auf dessen Grundstück sie steht. Bei Doppelhaushälften oder Reihenhäusern befindet sich eine gemeinsame oder angrenzende Wand jedoch oft exakt auf der Grundstücksgrenze. In solchen Fällen handelt es sich um eine sogenannte Grenzwand oder auch „Gemeinschaftswand“.
Der Unterschied ist entscheidend: Bei einer Grenzwand haben beide Nachbarn besondere Rechte und Pflichten, die durch das Nachbarschaftsrecht des jeweiligen Bundeslandes geregelt werden. Bei einer einseitig auf dem Grundstück stehenden Wand darf der betroffene Nachbar diese grundsätzlich nur mit ausdrücklicher Genehmigung nutzen – ganz gleich, ob er Lampen, Haken oder gar eine Satellitenschüssel montieren möchte.
Dies bedeutet konkret: Will dein Nachbar beispielsweise einen Zaun errichten, eine Markise befestigen oder andere Konstruktionen anbringen, die eine Verankerung in deiner Hauswand erfordern, benötigt er grundsätzlich deine Zustimmung. Ohne diese handelt er widerrechtlich und kann zur Unterlassung und gegebenenfalls zum Schadensersatz verpflichtet werden.

Ausnahmen: Wann eine Duldungspflicht bestehen kann
Dennoch gibt es Ausnahmefälle, in denen Nachbarn unter bestimmten Voraussetzungen verpflichtet sein können, bauliche Maßnahmen zu dulden. Der BGH unterscheidet hier verschiedene Situationen:
- Grenzüberbauungen: Wenn ein Gebäude bereits vor langer Zeit über die Grundstücksgrenze hinausgebaut wurde und der Nachbar dies jahrzehntelang geduldet hat, kann unter Umständen ein Duldungsanspruch entstehen. Dies setzt jedoch voraus, dass der Überbau in gutem Glauben errichtet wurde und eine Beseitigung unverhältnismäßig wäre.
- Notwendige Sicherungsmaßnahmen: In seltenen Fällen können bauliche Maßnahmen zur Sicherung eines Gebäudes erforderlich sein, die Eingriffe in das Nachbargrundstück rechtfertigen. Hier muss jedoch immer eine Interessenabwägung stattfinden, und der Eingriff muss das mildeste Mittel darstellen.
- Vertragliche Vereinbarungen: Bestehen bereits vertragliche Regelungen zwischen den Nachbarn – etwa in Form von Dienstbarkeiten oder Baulasten –, können diese Duldungspflichten begründen.
Entscheidende BGH-Urteile zum Nachbarrecht
Der BGH hat in mehreren wegweisenden Urteilen die Grenzen nachbarlicher Duldungspflichten präzisiert. Besonders bedeutsam war ein Urteil aus dem Jahr 2019, in dem es um die Befestigung einer Grenzwand ging. Das Gericht stellte klar, dass auch bei einer direkt auf der Grenze stehenden Wand der Eigentümer grundsätzlich nicht verpflichtet ist, Bohrungen des Nachbarn zu dulden.
In einem anderen Fall entschied der BGH, dass selbst geringfügige Eingriffe in die Bausubstanz des Nachbarn unzulässig sind, wenn keine besonderen Rechtfertigungsgründe vorliegen. Die Gerichte betonen dabei stets, dass das Eigentumsrecht einen starken Schutz genießt und Eingriffe nur in eng begrenzten Ausnahmefällen hingenommen werden müssen.
Praktisches Vorgehen bei Konflikten
Falls dein Nachbar ohne deine Zustimmung in deine Hauswand bohren möchte oder bereits gebohrt hat, solltest du wie folgt vorgehen:
- Dokumentation: Fotografiere die geplanten oder bereits durchgeführten Maßnahmen und sammle Beweise für den Eingriff in dein Eigentum.
- Kommunikation: Weise den Nachbarn schriftlich darauf hin, dass er nicht berechtigt ist, ohne deine Zustimmung Bohrungen vorzunehmen, und fordere ihn zur Unterlassung auf.
- Rechtliche Beratung: Konsultiere einen Anwalt für Nachbarrecht, um deine Rechte zu klären und gegebenenfalls rechtliche Schritte einzuleiten.
- Gerichtliche Schritte: Bei fortgesetzten Rechtsverletzungen kannst du eine Unterlassungsklage erheben und gegebenenfalls Schadensersatz fordern.
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Präventive Maßnahmen und Lösungsansätze
Um Nachbarschaftsstreitigkeiten zu vermeiden, empfiehlt es sich, von Anfang an das Gespräch zu suchen. Oftmals lassen sich praktikable Lösungen finden, die beide Seiten zufriedenstellen. Dies könnte beispielsweise eine schriftliche Vereinbarung über die Art und den Umfang erlaubter Befestigungen sein oder alternative Konstruktionslösungen, die keine Eingriffe in fremdes Eigentum erfordern.
Wichtig ist auch, bei Bauvorhaben frühzeitig zu prüfen, ob Eingriffe in Nachbargrundstücke erforderlich werden könnten, und diese rechtzeitig zu besprechen. Eine offene Kommunikation kann viele Konflikte von vornherein vermeiden.
Das Nachbarrecht ist komplex und einzelfallabhängig. Die BGH-Rechtsprechung macht jedoch deutlich: Ohne rechtliche Grundlage oder Zustimmung sind Eingriffe in fremdes Eigentum unzulässig – auch wenn es sich „nur“ um ein paar Bohrlöcher handelt. Eigentumsrechte sind stark geschützt, und diese Grenzen sollten alle Nachbarn respektieren.
Quelle: t-online

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